Die Freiburger haben es schon immer gewusst: Ihre Stadt ist etwas Besonderes. Inwiefern, das zeigt nun auch ein wunderbarer historischer Stadtführer, der bequem in die Manteltasche passt (und dank eines robusten Hardcover häufiges Herausnehmen und Wieder-Einstecken problemlos verkraften dürfte). „Okkultes Freiburg“ heißt das Opus aus dem Kasseler Herkules-Verlag und führt in einem Stadtrundgang zahlreiche „Ereignisse – Personen – Schauplätze“ auf, wie es im Untertitel heißt. Die 28 kurzen Beiträge stammen von Studenten des Historischen Seminars der Freiburger Uni, die das Thema in zwei Hauptseminaren erforschten.

Im heutigen Zeitgeist von Wellness, Achtsamkeit und Vegetarismus/Veganismus ("Gibt's den Latte auch mit Sojamilch?") ist in Vergessenheit geraten, wem dieser moderne Mainstream seine Entstehung verdankt: nämlich Dutzenden von esoterischen, okkulten und "lebensreformerischen" geistigen Strömungen, die von der Mitte des 19. Jahrhunderts an eine spirituelle Antwort auf den wachsenden Materialismus und Technizismus der Moderne suchten. Hier muss man schon mal ein großes Lob aussprechen, denn die drei Herausgeber (eine universitäre Historikerin, der Archivar des „Instituts für Grenzgebiete der Psychologie“ sowie ein privater Historiker) und die studentischen Autoren haben ihr Sachgebiet gründlich recherchiert und nehmen eine fair-neutrale, freundlich-distanzierte Haltung ein. Das tut gut, ist man doch sowohl von Esoterikern wie auch Esoterik-Verächtern eine Menge Unsinn gewohnt. Und dann wird einem zum Beispiel in Erinnerung gerufen, welch großartige Arbeit der Freiburger „Geisterhannes“ Hans Bender leistete, der einzige deutsche Professor für Parapsychologie: Er praktizierte einen wissenschaftlichen Umgang mit Psi-Phänomenen (beispielsweise die noch heute praktizierten statistischen Analysemethoden) und befreite den Okkultismus so vom Ruch des Abseitigen. Glanzstück und im Buch aufgeführt: Die präkognitiven Träume der Schauspielerin Christine Mylius; sie beweisen, dass es echte Para-Phänomene gibt. (Menschen, bei denen es spukt und die deshalb die „Ghostbuster“ um Bender-Nachfolger Walter von Lucadou zu Hilfe rufen, wissen das sowieso.)

Leider fehlt, wenn bei den jeweiligen Stationen die Rede auf die Zeitschrift „esotera“, den Hermann-Bauer-Verlag (in dem „esotera“ erschien) sowie den Paul-Lorenz-Verlag kommt, eine wichtige Querverbindung zwischen den dreien: Dass nämlich der Käufer des Lorenz-Verlages, als der Gründer sich 1937 zurückzog, Hermann Bauer hieß. Auch das ein Beispiel für den speziellen Freiburger Pioniergeist: Bauer, Lehrling von Paul Lorenz, investierte zu einer Zeit, als die braunen Machthaber immer mehr Schwierigkeiten machten, über zweitausend Reichsmark und musste doch mit ansehen, wie die Gestapo den Verlag im Juni 1943 schloss. Beim Bombenangriff 1944 wurde auch die dazugehörige Buchhandlung komplett zerstört. Nach Kriegsende wurde der Verlag durch Waltraud, Bauers Tochter, und ihren Mann Friedrich Kirner wieder aufgebaut, expandierte stetig und feierte 1997 noch sein 60-jähriges Jubiläum, bevor esoterische Themen endgültig Mainstream wurden und die Medienkrise in den Nuller-Jahren des neuen Jahrtausends das Übrige tat, um zuerst der Pionierin esotera und dann auch dem Verlag den Garaus zu machen.

Okkultes Freiburg. Ereignisse – Personen – Schauplätze, Herkules-Verlag Kassel, Hardcover, 89 Seiten, 11.90 Euro. www.herkules-verlag.de

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