War ja klar, dass irgendwann auch die Verschwörungstheorien wieder rausgekramt werden. Aber jetzt zu behaupten, die aktuelle Corona-Krise sei von geheimen Weltbeherrschern inszeniert, um uns die Freiheit zu rauben - das ist schon besonders widerwärtig. Denn nicht nur stülpt man im Nachhinein den Ereignissen eine ziemlich billige und perverse Deutung über, man geht dabei auch kalt lächelnd über die Zehntausende Todesopfer hinweg, die man missbraucht. Dass die aktuellen Ereignisse sicher niemand "geplant" hat, sondern das Geschehen allein durch menschliche Dummheit verursacht ist und jetzt den (Natur-)Gesetzen der Pandemie folgt - wen von diesen Oberschlaubergern, diesen Pseudo-Erleuchteten interessiert das schon?
Damit ihr nicht meint, ich erfinde hier was, zitiere ich das Kernstück eines Statements, das uns heute morgen auf WhatsApp erreicht hat:

"Diejenigen Menschen, die auf der Erde das Sagen haben, die Fäden ziehen und die diese Macht nicht abgeben möchten, haben diesen (sic) Virus in die Welt gesetzt, um ihre Pläne weiter zu verwirklichen. Heißt doch Corona nichts anderes als Krone. Die Krone auf dem Plan, der Schlussstein."

Wieso ist diese verschwörungstheoretische Deutung nicht nur blöd, sondern auch pervers und ekelhaft?
Weil sie das uralte Narrativ von der "jüdischen Weltverschwörung" wieder aufkocht. Für alle, denen das nicht klar ist: Wenn irgendwelche geheimen "Strippenzieher" erwähnt werden, die uns in ihrer Inszenierung wie "Marionetten" tanzen lassen, um uns Angst einzujagen und zu versklaven; wenn von "Illuminaten" und "Grauen" die Rede ist, dann ist immer die gute alte "jüdische Weltverschwörung" gemeint. Das ist das Narrativ, das seit rund 150 Jahren ein antisemitischer Hetzer vom anderen abschreibt & das die Blaupause für Auschwitz geliefert hat.
Im obigen Beispiel tut das ein 19-jähriges Mädel, das Christina Meier heißt, sich "Christina von Dreien" nennt und für Schweizer und Deutsche der neue Esoterik-Superstar ist. Ich könnte kotzen. Fräulein Meier ist natürlich fein raus und kann billige Volksreden halten, denn sie hat für ihre "Tagesseminare" mit 500 Teilnehmern in der Vergangenheit 200 Franken pro Nase Eintritt kassiert (so die "NZZ"). Und da ihre "Bücher" (mit vermutlich ähnlich schlichtem esoterischem Geschwurbel) sich ja verkaufen wie geschnitten Brot, kann man im Moment jedem Verdienstausfall natürlich gelassen entgegensehen.

Lasst uns jeden an den Pranger stellen, der solches Zeug verbreitet! Nicht nur das Virus fordert von uns Hygiene, sondern auch das Denken!