Dies wird sein ein sehr seltsamer Text. Der Grund ist, dass er geschrieben ist auf die Art, wie unser Deutsch wird klingen in etwa zwanzig Jahren. Es ist nicht, dass ich unser Deutsch nicht mag, aber in zwanzig Jahren wird jeder sprechen Deutsch auf die englische Art. Nicht nur wird jeder sagen “Back Family” (“Fack Bamily” ginge auch) und “Back Shop” und “Snack & Back” und “Willkommen zurück” und “Wertheim Village Shopping Outlet” und “Intelligent Drive Wochen” und ähnlichen Quatsch, sondern auch unsere Sätze werden sich verändern komplett.

Gut, eine richtig elegante Wortstellung war auch vorher schon Leuten mit Sprachgefühl vorbehalten. Aber dann kamen in den letzten Jahren Horden von “Übel-Setzern” (schlechten Übersetzern), die veränderten die Wortstellung von normalem Deutsch, so dass sie war wie Englisch. So übersetzten sie „Germany could have a coalition government within two weeks“ als: „Deutschland könnte eine Koalitionsregierung in zwei Wochen haben“ und taten nicht merken, dass in Deutsch das impliziert etwas Ungesagtes wie etwa “...und nicht erst in zwei Monaten”. Was gemeint war, war lediglich, was ein deutscher Sprecher würde ausdrücken ganz normal sagend: „Deutschland könnte in zwei Wochen eine Regierungskoalition haben.“ Ein Amerikaner schrieb einen Artikel betitelt “What I didn’t find in Africa”, und einer dieser Idioten, die schlecht ausgebildet sind, aber betrachtet werden als dynamisch genug, um mitzumachen jeden Quatsch, übersetzte: „Was ich nicht in Afrika fand.“ Was impliziert: Nicht in Afrika – sondern irgendwo anders! Aber wo? Asien? Australien? Falsche Spur! Es ist nicht Afrika im Gegensatz zu einem anderen Land, es ist “nicht FAND!” Also, jemand mit echter Beherrschung des Deutschen würde stellen die Negation dicht zu “finden” und nicht zu “Afrika” – es sei denn, er wollte es so (Verzeihung, gut anglizistisch heißt es natürlich: “er würde es meinen”). Also sollte es heißen: „Was ich in Afrika nicht fand.“

Aber es gibt kein Sie-Stoppen. Sie werden die Welt zu einem gefährlichen Platz machen! Obama sagt: „It’s dangerous to be isolated in the White House“, and die Idioten (hallo “Spiegel”!) übersetzen: „Es ist gefährlich, isoliert im Weißen Haus zu sein.“ Obwohl die Wortstellung im Deutschen doch wesentlich variabler ist als das englische S-P-O-Modell. Sie ist vor allem nicht “linksperipher” wie das Englische, sondern “rechtsperipher”, wie die Fachleute sagen. Im Deutschen kommt die Wortgruppe mit der wichtigsten Betonung entweder ganz nach vorne oder ganz nach hinten, nicht die adverbiale Bestimmung – es sei denn, man will wirklich sie hervorheben. Also sollte es heißen: „Es ist gefährlich, im Weißen Haus isoliert zu sein.“ Jedes Mal ich lese solch einen verkrüppelten Satz ich fühle als wenn ich hätte gebissen etwas Verfaultes. Es sendet Kribbeln mein Rückgrat hinab, und dann bekomme ich ein sinkendes Gefühl.

“A minute ago he has bought a pack of cigarettes with his last few coins” ist eben scheiße übersetzt, wenn man die englische Satzstellung übernimmt & schreibt: “Eben hat er eine Schachtel Zigaretten von seinem letzten Geld gekauft.” Nicht von was anderem also – aber warum das BETONEN?!? Geld musste es doch eh sein, oder will der Schreiber darauf hinaus, dass der Erwähnte gegen die Zigaretten seine Rolex eingetauscht hat? “Eben hat er von seinem letzten Geld eine Schachtel Zigaretten gekauft”, so klingt es für mich richtig. Klingt besser! Das besagt: Es hätte ja auch was anderes sein können, aber es waren (ausgerechnet) Zigaretten. Das wird betont, und deshalb steht es ganz am Ende, ganz rechts.

Ich rede gar nicht von den albernen lexikalischen, also Wörter eins zu eins übernehmenden “false friends”. Obwohl die auch ärgerlich sind. Zum Beispiel dieser eine, “a good hand” im Poker mit einer “guten Hand” zu übersetzen. Das ist ein BLATT, ihr Arschlöcher von Poker-Kommentatoren! Eine gute Hand hat ein Chirurg oder ein Billardspieler oder ein Sportschütze! Pius Heinz hat ein gutes BLATT gehabt, verdammt noch mal (wieso muss ich jetzt an Gernot Hassknecht von der “heute-show” denken?)!! Und eine “alcoholic mother” ist eben keine “alkoholische Mutter”! Und “to fight back” heißt “sich wehren” und nicht “zurück kämpfen”!

       “Als Robin Dutt im Herbst 2007 sein erstes Interview dem ‘Sonntag’ gab...” (“Der Sonntag”, Ableger der “Badischen Zeitung”, 13. 3. 2011.) Impliziert: Er gab es vor allen anderen Medien dem “Sonntag”, nicht einem anderen Medium. Ich bezweifle, dass das gemeint ist. Ich glaube, gemeint ist: “Als Robin Dutt im Herbst 2007 dem ‘Sonntag’ sein erstes Interview gab ...”

    „Allerdings ist Burroughs, der seine Frau bei einer Wilhelm-Tell-Imitationsnummer erschoss...“ (Spiegel online 13.7.11). Also nicht bei was anderem, so die implizite Aussage. Und das eigentlich skandalöse Faktum, dass die Frau erschossen wird, rangiert unter ferner liefen. Noch schlimmer, dasselbe in Grün: „Es zog ihn… nach Mexiko, wo er seine zweite Frau aus Versehen auf einer Party in einem Wilhelm-Tell-Spiel erschoss.“ (Matthias Matussek über Burroughs, Spiegel 3/2012). Unter einem noch größeren Wust von Infos und falschen Präpositionen wird die Hauptinfo begraben: Dass er die eigene Ehefrau abknallt. So wär’s definitiv besser: „…, wo er auf einer Party bei einem Wilhelm-Tell-Spiel aus Versehen SEINE ZWEITE FRAU ERSCHOSS.“ Die Hauptsache am Schluss, ganz rechts! Es geht um die Schusswaffenwut in den USA, und der Haupt-Punkt ist ja wohl der Tod der Frau, nicht die Tell-Nummer!

„Das wurde nicht gebaut für Schokoladen-Diebe“, steht am 27. 7. 2011 auf Spiegel online. Ich übersetze eins zu eins zurück: „This wasn’t built for chocolate thieves.“ Ist gutes Englisch, aber schlechtes Deutsch, wenn man es eins zu eins übel-setzt. Ein richtiger Übersetzer würde vielleicht formulieren: „Gegen Schokoladen-Diebe ist das nicht gebaut worden.“ Hier wäre die Emphase jetzt vorne, auf „Schokoladen-Diebe“ ginge die Satzmelodie deutlich hoch, und wir hätten einen sinnvollen Satzbau.

„Wir kommentieren grundsätzlich nicht die Leistungsfähigkeit des Geräts.“ (Print-Spiegel 30/2011) Was denn dann, um Himmels willen? Seine Farbe? Sein Aussehen? Oder die idiotische Angewohnheit, die englische Syntax im Deutschen nachzumodellieren? „It is our principle not to comment on the performance of the device“ MUSS werden zu: „Wir kommentieren die Leistungsfähigkeit des Geräts grundsätzlich nicht“ oder noch viel besser: „Die Leistungsfähigkeit des Geräts kommentieren wir grundsätzlich nicht.“

„Offenbar sieht sich eine Person im Debütroman des Berliner Musikjournalisten porträtiert“ Spiegel (31/2011). Schon dieses „eine Person“ – tollpatschiger, blödsinniger geht’s kaum. Eine Person, nicht ein Nasenbär oder ein Alien! Wow! Eine PERSON! Kaum zu glauben! (In gutem Stil könnte man einfach sagen: „Offenbar sieht sich im Debütroman des Berliner Musikjournalisten eine reale Person porträtiert“ – oder so etwas Ähnliches, aber bitte in DIESER SATZSTELLUNG, in simplem gutem Deutsch! Sie können’s nicht mehr, da im „Spiegel“. Die „reale Person“ muss doch die Schluss-Emphase erhalten und nicht der Berliner Musikjournalist, der sowieso durch den Vorlauf des Artikels schon bekannt ist!

Und dann kommen durch dieses syntaktische Kraut-und-Rüben auch noch blödsinnige Zusammenhänge zustande: „Seine Malutensilien schob er durch die Stadt in einem Kinderwagen.“ (Nr. 3/2012) Eine Stadt im Kinderwagen! Wow! „Seine Malutensilien schob er in einem Kinderwagen durch die Stadt“, da würde beim interessanten Detail des Kinderwagens die Stimme hochgehen. „Nach den Pogromen gegen Juden in Deutschland im November 1938, spielte das Eretz Israel Symphonic Orchestra - das damals in Palästina aktive Vorläufer-Ensemble des Israel Philharmonic Orchestra - demonstrativ nicht mehr die Musik Wagners.“ Die absurde Schlussfolgerung für den, der auf Nuancen Wert legt: Bis dahin haben sie immer nur Wagner gespielt, aber jetzt spielen sie einen anderen Komponisten – und nur den. Wäre es nicht viel besseres Deutsch, zu schreiben: „Nach den Pogromen gegen Juden in Deutschland im November 1938 spielte das Eretz Israel Symphonic Orchestra - das damals in Palästina aktive Vorläufer-Ensemble des Israel Philharmonic Orchestra - die Musik Wagners demonstrativ nicht mehr.“ Dann käme das Wichtigste wirklich zum Schluss, an betonter Stelle.

Aber mein Lieblingsbeispiel ist das hier, wieder vom „Spiegel“. Es ist so granatenmäßig blöd, dass ich nicht verstehe, wie irgendein Schlussredakteur so was durchgehen lassen kann. Die Schlussfolgerung kann nur sein: Auch bei den Schlussredakteuren haben die Legastheniker jetzt die Macht. Achtung: „Schommer wurde bei einer Hausdurchsuchung im Schlafanzug von einem wartenden Journalisten fotografiert.“

Wie blöd ist das denn? „Hausdurchsuchung im Schlafanzug“!? „Bei der Hausdurchsuchung wurde Schommer im Schlafanzug von einem wartenden Journalisten fotografiert“ oder am besten im Aktiv statt im Passiv: „Bei einer Hausdurchsuchung fotografierte einer der wartenden Journalisten Schommer im Schlafanzug“ – alles besser als dieser ungenießbare Mischmasch mit Hang zur unfreiwilligen Komik.

„Beate Zschäpe (…) konnte demnach offenbar ohne weiteres von dem Tod ihrer beiden Gefährten durch die Medien Kenntnis erlangen.“ Durch die Medien sind sie zu Tode gekommen, die beiden Gefährten! „Beate Zschäpe (…) konnte demnach durch die Medien offenbar ohne weiteres von dem Tod ihrer beiden Gefährten Kenntnis erlangen.“

Aber die Seuche ist epidemisch. Es ist so, dass sie das Akkusativobjekt jetzt zuerst in ihren Sätzen nennen. Es ist so, dass die Ortsbestimmung jetzt ganz zum Schluss in ihren Sätzen steht. Es ist so, dass jetzt regelmäßig Verb und zugehöriges Adverb in ihren Sätzen auseinander gerissen werden. Es ist so, dass das Unwichtigste jetzt zum Schluss in ihren Sätzen kommt. Es ist so, dass sie jetzt nicht mehr die Verneinung zum Verb in ihren Sätzen stellen. Es ist so, dass man sich die Haare über diese plumpe Ignoranz gegenüber jeder Sprachmelodie jetzt in ihren Sätzen raufen könnte.